In der heutigen Ausgabe der BILD Leipzig wird Baubürgermeister Dienberg zitiert mit der Aussage, dass Pendler in einem Radius von „11 bis 12 Kilometern“ mit dem Rad fahren könnten. Diese Einschätzung überrascht uns doch sehr angesichts der Lebenswirklichkeiten vieler Leipzigerinnen und Leipziger. Ja, es gibt Menschen in Leipzig, die sogar längere Strecken täglich mit dem Rad, dem E-Bike oder auch einem Lastenrad zurücklegen. Einige tun das freiwillig, aber nicht alle. Manch einer hat sich seinen persönlichen Lebensentwurf auch genau so entworfen, dass kein Auto benötigt wird. Für manche ist es aber aktuell schlicht die einzige Möglichkeit, bei schlecht ausgebautem ÖPNV und ohne eigenes Auto mobil zu sein.
Dass Pendeln mit dem Rad grundsätzlich für Menschen gerade am Stadtrand im Alltag eine ernsthafte Alternative sein kann, ist stark zu bezweifeln. Ausgehend vom Neuen Rathaus redet Herr Dienberg etwa über Makranstädt, Seebenisch, Großdeuben, Störmthal, Zweenfurth Hohenheida, Freiroda oder Rackwitz. Wohlgemerkt: Im Alltag, bei jedem Wetter, mit einem Kind in der Grundschule und einem anderen im zugelosten Gymnasium, Sportverein, Musikunterricht. Wir reden über Ortslagen in und um Leipzig, in denen keine Bibliothek und auch kein Vollsortimenter-Supermarkt vor Ort ist. Wo man nichts einfach fußläufig bekommt. Aber Herr Dienberg meint, das sei kein Problem.
Ganz ehrlich: So eine Idee passt – etwas verallgemeinert – nur für körperlich gesunde Akademiker mit Wohnung in Gohlis oder Plagwitz, die bei der Stadtverwaltung arbeiten, aber nicht für Menschen, die sich weder Arbeitszeit noch Dauer immer aussuchen können, die morgens 6 Uhr von Markkleeberg ins St. Georg oder von Grünau zu BMW zum Dienst müssen, und die von ihrer Wohnung keine Apotheke, KiTa, Schule oder Biergarten schnell zu Fuß erreichen können.
Die Realität in Thekla, Böhlitz, Knautnaundorf oder Althen ist nur eben eine andere. Herr Dienberg, fangen Sie endlich an, auch Politik für die Menschen außerhalb Ihrer Blase zu machen. Dafür werden Sie bezahlt.